10-2016: Erhaltung versus Kreativität

Erhaltung versus Kreativität

Die Erhaltung ist ein festerer Grundsatz der Geflügelzucht. Selbst in den Namen viele Clubs und Vereine, ist die Erhaltung verankert. Ein sicherlich ehrbarer Gedanke, denn jeder ist bestrebt, das Fortbestehen des Liebgewonnenen zu sichern.

In meinem Verständnis ist „Erhaltung“ allerdings ein zu tief gestecktes Ziel und mit Stillstand verbunden. Wenn wir auch vielerorts in der Szene das „Weniger-werden“ beklagen, so ist der bloße Erhalt dennoch für mich keine motivierender Vorsatz. Entstehen neue Farbenschläge oder gar Rassen, sind die Bedenken oft groß. Hier gibt es eine Spannbreite von destruktiv („Das braucht doch kein Mensch“), bis ernstlich besorgt („ Wir bereits jetzt zu wenige, um das Vorhandene nicht mehr erhalten“).

Dem gegenüber steht eine junge und kreative Generation von Liebhabern und Züchtern. Ersteren sind unsere standardisierten Regeln zunächst meist reichlich egal, Letztere nehmen für sich in Anspruch, was eben auch die vorangegangenen Generationen taten: Die Freude und die Ambition, etwas entstehen zu lassen. Der Spaß an der Kreativität und dem Experiment. Sie haben ein Recht darauf, nicht nur zu verwalten, was Jahrgänge vor ihrer Zeit erschufen.

Als gutes Beispiel lassen sich die Japanischen Legewachteln heranziehen. Die Vorbehalte, diese in die Rassegeflügelzucht zu integrieren, waren zunächst groß und man tat sich schwer damit, sie einer Sparte zuzuordnen. Die Idee, den Legewachteln eine Bühne zu geben, ist allerdings sehr zukunftsorientiert. Wir können uns ein Klientel erschließen, welches kaum die erforderlichen räumlichen Möglichleiten einer Tauben- oder Hühnerhaltung hat und der durch das Krähen des Hahns gestörte Nachbar bleibt ebenfalls entspannt. Hier setzen wir also kreativ dort an, wo der Schuh drückt und ich denke, dass wir davon profitieren werden.

Inwiefern stehen also “die Neuen“ in Konkurrenz zur Erhaltung? Wird sich jemand für eine Rasse der „roten Liste“ begeistern, obwohl sie ihm nicht gefällt? Vermutlich nicht. Ist dies aber ein Grund zur Besorgnis? Ich denke ebenfalls nicht. Das Erhaltenswerte, wie auch das Neue, übt einen besonderen Reiz aus und werden entsprechend ihre Liebhaber finden oder behalten. Und wenn dem nicht so ist, wurde der Test der Zeit nicht bestanden. Ein unwiederbringliches Verschwinden einer Rassen ist ganz sicher kein schöner Vorgang, doch hat es dies in der Vergangenheit immer wieder gegeben.

Gleichwohl ist nicht alles Neue gleichfalls gut und zu befürworten. Im Bereich der Farbenschläge sollte der Erzüchter ehrlich zu sich und dem selbst Erschaffenen sein. Nicht immer macht es Sinn, eine Farbe durch die Anerkennung zu boxen, wenn keine Stabilität in der Vererbung zu erwarten ist. Die anfängliche Begeisterung ebbt ebenso schnell wieder ab, wie sie kam.

Mit der AOC-Klasse wurde nun auch bei den Hühnern und Zwerghühnern eine sehr gute Möglichkeit geschaffen, auf größerer Bühne abzuklopfen, ob sich ein Farbenschlag etablieren lässt und Anklang bei den Züchtern findet. Ebenfalls ist ein oft befürchteter Wildwuchs nicht zu erwarten, da die AOC-Klasse (All Other Colours) ja nur anerkannte Farbenschläge anderer Rassen zulässt.

Ein nächster, sehr spannender Schritt wäre, die Palette um eine Kategorie für Fantasiefarben zu erweitern. Wer experimentiert, erhält oft ein buntes Sammelsurium an Farb- und Zeichnungsmustern, vereint auf einem Gefieder. Für den Moment sind wir hier vermutlich noch zu preußisch genau. Mal etwas quer gedacht, könnte uns eine solche Abteilung durchaus bereichern und auch die Gemeinschaft vergrößern. Die typhafte Erscheinung muss davon nicht negativ beeinflusst sein.

Udo Ahrens

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